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Flexibilisierung von Biogasanlagen
Interview mit Biogasexperte Thomas Ehrmann

Thomas Ehrmann (50) ist seit knapp zwei Jahren für den Fachbereich Bioenergie bei GICON tätig. Er verfügt über fast 20 Jahre Erfahrung im Bereich der Biogastechnologie. Für GICON betreut er vor allem den süddeutschen Raum, wo er als Biogasexperte Landwirte und Firmen bei der Flexibilisierung oder Neuerrichtung von Biogasanlagen begleitet.
Der deutsche Biogasmarkt befindet sich seit einiger Zeit in einer Phase des Umbruchs. Über das EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz) geförderte Altanlagen erreichen langsam das Ende ihrer Laufzeit, doch gleichzeitig werden aufgrund mangelnder Förderung kaum noch Anlagen neu errichtet. Dafür ist das Thema Flexibilisierung derzeit in aller Munde und der sogenannten Flex-Prämie kommt eine besondere Bedeutung zu. Sie ist seit 2014 im EEG verankert und fördert den Zubau von zusätzlicher BHKW-Leistung. Durch diese „Überbauung“ der elektrischen Leistung sollen Biogasanalagen in die Lage versetzt werden, möglichst bedarfsgerecht Strom einzuspeisen. Darüber hinaus hat die aktuelle EEG-Novelle mit der Möglichkeit einer Anschlussförderung nach 20 Jahren für ein wichtiges Signal zum Aufbruch in die Flexibilisierung gesorgt.
Herr Ehrmann, kommt grundsätzlich jede Anlage für eine Flexibilisierung in Frage? Auf was muss ich achten?
Grundsätzlich gilt die Flex-Förderung für jede EEG vergütete Biogasanlage mit Ausnahme der 75 kW-Klasse. Wichtig: sie muss noch eine gewisse Restlaufzeit besitzen. Zunächst sollte man die Bedingungen des Netzanschlusses klären. Durch die Überbauung muss die Netzverträglichkeit erneut geprüft werden. Außerdem muss der erzeugte Strom über das Marktprämienmodell direkt vermarktet werden und die erweiterte und flexible Anlage muss über eine behördliche Genehmigung verfügen. Durch ein Gutachten muss die Anlage beweisen, dass sie „flexibel“ ist und eine Lastverschiebung von mindestens vier Stunden gewährleisten kann. Währenddessen dürfen kein Biogas und auch keine genutzte Wärme verloren gehen. Also müssen die Möglichkeiten der Gas- und Wärmespeicherung in jedem Fall der Überbauung angepasst werden.
Viele Betreiber scheuen den abermaligen Gang zur Genehmigungsbehörde. Können Sie diesen die Angst davor nehmen?
Eine gute Vorbereitung und ein offener Umgang mit allen Beteiligten erleichtern den Prozess ungemein. Hier lohnt es sich in jedem Fall, die Behörden vor Antragseinreichung durch eine Projektskizze über die geplanten Schritte zu informieren, um so den Umfang der benötigten Unterlagen zu bestimmen. Ein entsprechend abgestimmter Antrag hat gute Chancen auf eine zügige Genehmigung. In einer Vorkonferenz können meist kritische Punkte beseitigt und mögliche Kosten abgeschätzt werden. In aller Regel bewerten die Behörden den Zubau von BHKW-Leistung als Erhöhung der Betriebssicherheit und somit entsprechend positiv.
Welche Genehmigungsschritte sind im Normalfall notwendig?
Bei Anlagen, die bereits nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) genehmigt wurden und wo nur ein BHKW zugebaut werden soll, kann ggf. eine einfache Änderungsanzeige nach § 15 BImSchG ausreichen. Aus Kostengründen bietet es sich aber an, weitere anstehende Tatbestände mit in den Genehmigungsantrag einfließen zu lassen.
Wann ist der optimale Zeitpunkt einzusteigen?
Da die Prämie für zehn Jahre gezahlt wird, hat der Einstieg im zehnten Betriebsjahr den besonderen Charme, dass dann die Flexprämie bis zum regulären Ende der EEG-Förderung nach 20 Jahren in Anspruch genommen werden und die Finanzierung über die Prämie gewährleistet werden kann.
Der Einstieg ist demnach für ältere Anlagen nicht mehr anzuraten?
Prinzipiell würde ich jeder Anlage ab zehn Jahren Laufzeit zu einer Flexibilisierung raten. Aber man muss sich die Frage stellen, wie die Zukunft der Anlage nach 20 EEG-Jahren aussehen soll. Soll die Anlage weiter betrieben werden oder nicht? Die im EEG 2017 formulierte Anschlussförderung von maximal 16,9 ct pro eingespeister kWh hat zwar für eine gewisse Perspektive gesorgt, allerdings nur, wenn die Anlagen technisch und wirtschaftlich auf gesunden Beinen stehen und flexibel konzipiert sind. Oder anders ausgedrückt: Wer nicht flexibilisiert, hat die Anlage bereits mental abgestellt!
Was ist mit den Anlagen, die erst wenige Jahre in Betrieb sind?
Auf die Lebenszeit der Anlage bezogen, wäre es sicher sinnvoll, hier noch ein paar Jahre zu warten. Leider übt der sogenannte Flex-Deckel hier einen gewissen Druck aus: von den seit August 2014 deutschlandweit zur Verfügung stehenden 1.350 MW Flex-Leistung sind (Stand Januar 2017) bereits ca. 300 MW vergeben.
Es ist also Eile geboten, um den Anschluss nicht zu verpassen?
Der Zeitdruck ist zwar da, allerdings nicht in dem Maße, dass unüberlegte Schnellschüsse notwendig sind. Die Flex-Prämie beinhaltet die Chance, eine wichtige Weiche für den Weiterbetrieb der Anlage zu stellen. In diese Überlegungen sollten möglichst viele Rahmenbedingungen einfließen, um den optimalen Flexibilisierungsgrad zu realisieren. Dafür stehen wir unseren Kunden auch gern beratend zur Verfügung.